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Hose runter geht zu weit

Strafgefangene können sich gegen beaufsichtigte Urinkontrollen wehren, bei denen sie Sicht auf ihre Genitalien ermöglichen müssen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und der Verfassungsbeschwerde eines Häftlings stattgegeben (Beschluss vom 22. Juli 2022 – Aktenzeichen 2 BvR 1630/21). Die Gerichte, die sich zuvor mit dem Fall beschäftigt hatten, hätten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gefangenen nicht ausreichend berücksichtigt.

Der Fall: Eine Justizvollzugsanstalt ordnete gegenüber Häftlingen regelmäßig die Abgabe von Urinproben an, um Drogentests durchzuführen. Um Missbrauch vorzubeugen, sollte die Abgabe der Probe unter Aufsicht erfolgen. Vollzugsbeamte hatten dadurch Sicht auf die Genitalien der Häftlinge. Dagegen setzte sich ein Häftling gerichtlich zur Wehr.

Sein Ziel: Drogenkonsum solle zukünftig mittels Blutentnahme aus dem Finger überprüft werden. Zudem wollte er erreichen, dass gerichtlich festgestellt wird, dass die durchgeführten Urinabgaben unter Sichtkontrolle rechtswidrig gewesen seien. Er argumentierte, dass die Abgabe mehrer Urinproben unter Aufsicht innerhalb von wenigen Wochen sein Schamgefühl erheblich verletzt und massiv in seine Intimsphäre eingegriffen hätte.

Die Vorinstanzen verwarfen den Antrag des Häftlings. Die Urinkontrollen seien rechtmäßig erfolgt. Die Abgabe der Proben unter Aufsicht dienten nicht nur der Gesundheit der Häftlinge, sondern auch der Sicherheit des Strafvollzugs. Andere, weniger einschneidende Mittel zur Drogenkontrolle stünden nicht zur Verfügung.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun zugunsten des Häftlings entschieden und seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung der Vorinstanz stattgegeben. Die Verpflichtung, sich vor Vollzugsbeamten zu entblößen, stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Gefangenen dar. Zwar ließen sich Eingriffe in den Intimbereich und das Schamgefühl des Häftlings nicht immer vermeiden. Sie müssten bei einer Überprüfung der Maßnahme aber besonders berücksichtigt werden, was die Vorinstanzen nicht gemacht hätten, so die Verfassungsrichter.

Darüber hinaus sei nicht berücksichtigt worden, dass es mittlerweile alternative Möglichkeiten für Drogentests gebe, zum Beispiel mittels Blutabnahme aus dem Finger.

Nun muss sich die Vorinstanz erneut mit der Angelegenheit befassen und unter Beachtung der Hinweise des Bundesverfassungsgerichts eine neue Entscheidung treffen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.08.2022